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Es ist vorbei…

Kuba hat den Anspruch eine klassenlose Gesellschaft zu sein. In Realität ist es allerdings eine gnadenlose Zweiklassengesellschaft, die ohne Hilfe von aussen nicht überlebensfähig wäre.

Eines der Symbole für das heutige Kuba sind die vielen Oldtimer aus der vorrevolutionären Zeit (vor 1959). Sie weisen auf eines von vielen Problemen hin: Kuba lebt seit Jahrzehnten von der Substanz, die im vorsozialistischen Kuba aufgebaut wurde. Dies gilt nicht nur für Autos, sondern insbesondere auch für die seit 60 Jahren verfallenden Gebäude. Neue Bauten gibt es relativ wenige und die alten Gebäude werden, wenn überhaupt, notdürftig renoviert und ansonsten dem Verfall preis gegeben. Was für Aussenstehende charmant wirkt, ist für die Bewohner äusserst unangenehm und vor allem werden die Autos und Gebäude irgendwann definitiv kaputt gehen oder einstürzen.

Dass Kuba noch nicht vollständig kollabiert ist, hat mit Unterstützung von aussen zu tun. Während des Kalten Krieges wurde die Zuckerinsel von der Sowjetunion subventioniert und bis heute von Exilkubanern, die häufig in Florida leben und Geld nach Hause senden. Heute aber ist das Land vollständig vom Tourismus abhängig – eine Abhängigkeit, die für die Zukunft ebenfalls schlechte Vorahnungen aufkommen lässt.

Die Finanzierung Kubas findet heute wesentlich über die Existenz von zwei Währungen statt: den Peso national (CUP) und den Peso convertible (CUC, 1 CUC entspricht ca. 1 Franken). Mit dem CUC kann man vieles kaufen, vielerorts sogar Coca Cola, lässt sich in bequemen, klimatisierten Bussen von Stadt zu Stadt reisen, in Hotels mit annährend europäischem Komfort nächtigen – kann man quasi wie in einem kapitalistischen Land leben.

Die Löhne der Kubaner werden allerdings nicht in CUC, sondern in CUP ausgezahlt. Und mit CUPs lässt sich ohne lange Warteschlange praktisch nichts erwerben – und die Löhne sind extrem tief. So erhält ein Arzt je nach Quelle, die ich konsultiert habe das Äquivalent von 50-150 CUC (in CUP ausbezahlt) – monatlich. Damit lässt sich auch auf Kuba kaum leben, zumal die Preise in CUC jenen in Europa sehr nahe kommen und sie manchmal sogar übertreffen.

Um überleben oder etwas besser leben zu können, versuchen Kubaner deshalb CUC zu erhalten. Und die CUCs sind zuerst einmal bei den Touristen. Wer also Kontakt mit Touristen hat, kann sich relativ leicht ein kleines Vermögen erwerben. Angenommen ein Zimmermädchen in einem Hotel betreut 10 Zimmer und jeder Gast zahlt im Durchschnitt 1 CUC Trinkgeld pro Nacht (was in Reiseführern oft empfohlen wird), erhält sie pro Tag 10 CUC, bei einem 20 Tage Monat also 200 CUC – deutlich mehr also als ein Arzt – und dazu noch einen wohl lächerlich geringen Lohn in CUP.

Dies hat wiederum fatale Folgen für die Kubanische Wirtschaft. Da die Ausbildung gratis ist, gibt es auf Kuba sehr viele sehr gut ausgebildete Menschen. Für diese lohnt es sich allerdings kaum auf ihrem Job zu arbeiten, da sich beispielsweise als Taxifahrer (Kontakt mit Touristen) viel mehr verdienen lässt.

Und so funktioniert das CUC-Kuba ganz gut. Es existiert bereits ein harter Wettbewerb, um in diesem System bestehen zu können, muss man sich anstrengen. Es führt aber auch zur erwähnten Zweiklassengesellschaft.

Während Touristen sich in privaten Restaurants die Bäuche mit Fleisch vollschlagen, ist dieses für Einheimische in CUP kaum erhältlich. Bei der Reise im klimatisierten chinesischen Bus sieht der Tourist überall Menschen, die mit Geldscheinen winken oder einfach am Strassenrand warten. Es sind Menschen, die sich selbst eine Reise mit den überfüllten und unzuverlässigen CUP-Bussen nicht leisten können und deshalb als Anhalter auf Mitfahrgelegenheiten hoffen. Bloss, dass es viel mehr Tramper als Autos oder Lastwagen gibt – die Autobahnen, manchmal bis zu achtspurig sind regelmässig leer und es kann Minuten dauern, bis ein Wagen vorbeifährt. Oder dann vielleicht ein völlig überfüllter Transporter oder ein durch Ochsen oder Pferde gezogener Kleinkarren.

Betritt man als Tourist einen Laden, staunt man über die geringe Auswahl. Bloss: meist handelt es sich dabei um CUC-Läden, also um Läden, wo man nur mit der „guten“ Währung einkaufen kann. Die CUP-Läden bleiben den Touristen meist verborgen und dort herrscht meist gähnende Leere und ohne Anstehen läuft nichts. Der Kauf eines Zugtickets kann für Einheimische (wie auch für Touristen, die sich dies antun) schnell einige Stunden Zeit kosten – wobei der Zug dann zwar günstig, aber auch extrem unzuverlässig fährt. Wer die touristische Infrastruktur zu nutzen weiss und über genügend Kleingeld verfügt, kriegt davon kaum etwas mit.

Das Zweiwährungssystem funktioniert also zusammenfassend wie folgt: der Staat zahlt die Löhne in der fast wertlosen „CUP-Währung“ aus, weshalb Kubaner Jagd machen auf den (für Touristen gedachten) CUC. Da das in CUC eingenommene Geld grösstenteils wieder in Kuba ausgegeben wird, gelangt es früher oder später in die Hände des Staates, der damit seine bescheidene Grundversorgung, das weiterhin gute (aber unterversorgte) Gesundheitsystem und die kostenlose Bildung finanzieren kann. Ohne CUC wäre das System allerdings längst auseinandergebrochen – und dies tut es gerade auch wegen des CUC: denn damit wird auf leisen Sohlen der Kapitalismus eingeführt und wird das Ende des Sozialismus auf Kuba definitiv beschleunigt. Sofern er denn heute überhaupt noch ernsthaft existiert.

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