British Railways

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Über die British Railways wird viel gemeckert. Meine Erfahrungen waren grösstenteils positiv. Nach der Ankunft in London Gatwick gab es zwar einen ziemlich chaotischen Einstand mit verschiedenen Gleiswechseln, danach aber fuhren die Züge meist pünktlich und problemfrei. Dies ist natürlich nur eine kleine Bestandesaufnahme, die Gründe für die britische Zugmisere lassen sich aber relativ leicht fassen.

1993 wurde die britische Bahn privatisiert, was vorsichtig gesprochen suboptimal geklappt hat: Ende der 90er Jahre kam es zu diversen spektakulären Unfällen, weil die Infrastruktur kaum gepflegt wurde und grundsätzliche Zugsicherungssysteme fehlten. Seither dient diese Privatisierung für viele als DAS Beispiel, warum Privatisierungen grundsätzlich schlecht seien.

Dies ist offensichtlich zu kurz gedacht, da beispielsweise in Japan die Bahnprivatisierung sehr gut funktioniert hat und es sehr viele Beispiele für erfolgreiche Privatisierungen gibt. Eisenbahnen sind dazu allerdings nicht ideal geeignet, was auch das Beispiel Neuseeland zeigt: hier wurde die Privatisierung sogar wieder rückgängig gemacht.

Grundlage jeder Privatisierung ist der Wettbewerb. Private Unternehmen sind gezwungen rentabel zu arbeiten und haben zusätzlich den Antrieb möglichst viel Profit zu machen. Fehlt nun der Wettbewerb, weil ein einziges privates Unternehmen zuständig ist für die Bahninfrastruktur (u.a. Geleise, Sicherungssysteme), dann hat dieses Unternehmen keinen Anreiz, Geld zu investieren. Ohne Konkurrenz gibt es keinen Grund, das eingenommene Geld auch im Sinne der Kunden zu verwenden. Und genau dies war geschehen. Konkurrenz bei der Bahninfrastrukur ist aber kaum möglich, da es eben nur eine Zugtrasse zwischen verschiedenen Ortschaften gibt und damit keine Konkurrenz möglich ist. 2002 wurde die Bahninfrastrukur in Grossbritannien denn auch wieder durch den Staat übernommen. Seither hat sich die Lage in diesem Bereich normalisiert.

Es gibt zwar nur eine Bahninfrastruktur, aber es fahren meist mehrere Züge täglich zwischen zwei Orten. Zudem gibt es meist Fernbusse, die die gleichen Strecken bedienen – und Autos. Es gibt hier also Konkurrenz, weshalb eine Privatisierung der Bahnunternehmen inzwischen vielerorts erfolgreich umgesetzt wurde: die Preise sind gesunken, die Pünktlichkeit gestiegen. Als drastisches Beispiel habe ich Italien im Kopf, wobei hier vermutlich nicht allein die Privatisierung verantwortlich ist: vor vielleicht 20 Jahren war die italienische Staatsbahn in einem miserablen Zustand und die Unpünktlichkeit sprichwörtlich.

Auch in Grossbritannien gilt die Privatisierung inzwischen als erfolgreich, was von den erwähnten Leuten schlicht ignoriert wird. Gemäss Wikipedia hat die EU-Kommission «dem britischen Modell teilweise Vorbildcharakter für eine erfolgreiche Marktöffnung zugesprochen». Und dies deckt sich wie erwähnt mit meinen Beobachtungen, auch wenn ich auch noch einige Probleme sehe.

So gibt es vielerorts viel zu viel Personal. Theoretisch ist das Bahnsystem extrem effizient, vor dem Einsteigen und nach dem Aussteigen scannt man sein Ticket und damit ist die Kontrolle geschehen. Theoretisch. Denn zusätzlich wird das Ticket oft noch im Zug kontrolliert – und stehen meist mehrere Angestellte unbeschäftigt bei einem Schwatz bei den Scanstationen. Nett für sie, aber aus betriebswirtschaftlicher Perspektive eine Katastrophe.

Ebenfalls eher ungeschickt war die Reaktion auf einen Erdrutsch im Norden Schottlands. Der Zug von Thurso nach Inverness konnte nicht fahren und es wurden Ersatzbusse bereitgestellt. Schnell kam der erste 10 Plätzer – es warteten aber wohl 100 Leute. Da ich es auf den zweiten Kleinbus schaffte, weiss ich nicht, wie es den anderen Passagieren erging. Wir waren jedenfalls fast doppelt so schnell in Inverness wie mit dem Zug – und ich fuhr gratis. Denn das Ticket hätte ich im Zug kaufen müssen, was im Bus dann nicht möglich war. Die Fahrt war aber auch reichlich unbequem und insofern hielt sich mein schlechtes Gewissen in Grenzen…

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