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Huere verdammti Scheisskacke

Es dauerte einige Sekunden bis ich mir dieser Worte gewahr wurde, die sich in meinem Kopf festgesetzt hatten. Sie waren mir ja wie wohl auch Ihnen sehr unangenehm. Aber gegen seine Gedanken kann man sich selten erwehren. Und die Worte waren verdammt berechtigt.

Vor mir hatte sich eine Mauer aufgetan. Aber nicht einfach eine Mauer, sondern eine über 15 Meter hohe „Friedensmauer“. Ich hatte ja schon davon gehört und ja, ich hatte sie sogar schon gesehen gehabt. Als ich während einer Bustour daran vorbeigefahren war. Aber als sie plötzlich vor mir stand erschlug sie mich fast. Dagegen war die Berliner Mauer mit ihren 3.6 Metern fast zu übersehen. Und vor allem: die Friedensmauern stehen auch heute noch. Heute, im Jahr 2016.

Der Konflikt hat sich zwar in den letzten Jahren etwas abgekühlt, aber wenn man durch den westlichen Teil von Belfast geht, ist er weiter zum Greifen nah. Vor allem auf probritischer Seite, wo einen ganze Strassenzüge voller Grossbritannienflaggen und anderen nationalistischen Symbolen beinahe erschlagen. Während auf der proirischen Seite kaum Flaggen zu sehen sind, höchstens Häuser, die ganz unauffällig rot-weiss-grüne Elemente enthalten. Wie dies zu werten ist, ist mir allerdings unklar. Sind die Pro-Briten stärker? Schwächer? Aggressiver? Ein Urteil will ich mir hier nicht anmassen.

Der Konflikt jedenfalls ist ein klassischer Nationenkonflikt. Vor Jahrhunderten hatten protestantische Briten den Nordosten Irlands besiedelt und stellten dort bald die Mehrheit. Als sich Irland 1922 von Grossbritannien abtrennte blieb dieser auch „Ulster“ genannte Teil Teil Grossbritanniens.

Ende der 60er Jahre explodierte die Lage. Auf der einen Seite standen die britischen Protestanten auf der anderen die irischen Katholiken. Erstere wollten bei Grossbritannien bleiben, Letztere sich Irland anschliessen. Die Probriten zeigten dabei alle Anzeichen von rechten bis rechtsextremen, nationalistischen Guppierungen, während die Proiren sozialistisch geprägt waren, was sich heute noch 1:1 wahrnehmen lässt: in probritischen Gebieten sieht man überall nationalistische Symbole, in proirischen Solidaritätsbekundungen mit anderen „linken“ Bewegungen.

Dies ist deshalb besonders erwähnenswert, weil in der Eigenbezeichnung meist zwischen „Protestanten“ und „Katholiken“ unterschieden wird, es in diesem Konflikt aber kaum um die Religion geht, sondern eben um die Nationalität. Die sich am Leichtesten an der Religion festmachen lässt, da sich Proiren und Probriten ansonsten kaum unterscheiden.

Wie wichtig diese Unterscheidung für manche Nordiren war, zeigt eine wohl wahre Geschichte. Als ein Jude über die falsche Strassenkreuzung ging, wurde er zur Rede gestellt: bist du Protestant oder Katholik? Dieser antwortete mit „Jude“. Darauf wurde er angeblich gefragt, ob er protestantischer oder katholischer Jude sei. Keine Zuordnung war im Denken vieler Menschen nicht vorstellbar.

Der Nordirlandkonflikt kostete in den 70er und 80er Jahren rund 3500 Menschenleben, die Hälfte davon Zivilisten. Strassenschlachten waren zeitweise an der Tagesordnung, insbesondere wenn die eine Seite Prozessionen auf der anderen Seite abhielt – was noch vor wenigen Jahren zu Ausschreitungen führte (spiegel.de). Um diese zu verhindern wurden die erwähnten „Friedensmauern“ gebaut, die heute der Stadtentwicklung im Weg stehen und vor allem noch eine Touristenattraktion sind. Über den Abbau wird deshalb heute diskutiert, was immerhin darauf hoffen lässt, dass trotz der vielen nationalistischen Zeichen in den Strassen der Konflikt als beendet gelten könnte. Sicher ist das jedoch keineswegs.

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