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Wenn der Wunsch zum Willen wird

Es ist schon eigenartig. Jahrelang hat man Umfragen gestartet, sogar mehrfach abgestimmt und nie gab es eine wirklich eindeutige Mehrheit für die Unabhängigkeit Kataloniens. Dann plötzlich ruft die sich auf 48 Prozent der Stimmen Kataloniens berufende Lokalregierung die Unabhängigkeit Kataloniens aus – angeblich mit 90 prozentiger Unterstützung durch die Katalanen. Und in Europa hinterfragen viele Journalisten diese seltsame Konstellation nicht, sondern schwafeln von einer gerechtfertigten und unterstützungswürdigen Unabhängigkeitsbewegung.

Die 90 Prozent waren zustande gekommen, weil sich die Gegner einer Unabhängigkeit nicht an der eindeutig illegalen und auch als solche gekennzeichneten Abstimmung teilnahmen. Die katalanische Lokalregierung hatte sie aufgrund eines Gesetzes anberaumt, das der spanischen Verfassung widersprach und das nicht einmal vom katalanischen Parlament (!) beschlossen wurde. Viel illegaler kann man sich als Regierung nicht mehr verhalten.

Diese ganze Episode war von Anfang zum Scheitern verurteilt und man staunt im Nachhinein wie unglaublich dumm sich die Putschisten, also die Unabhängigkeitsausrufer verhalten haben. Ohne Unterstützung des Auslands, basierend auf Lügen (z.B. Katalonien wird Teil der EU sein), ohne zwingenden und gut begründeten Grund, gegen den Willen Spaniens und nicht nur gegen den Willen der verhassten partido popular, sondern auch der Sozialdemokraten, alleine auf einer offensichtlich nicht aussagekräftigen Abstimmung die Unabhängigkeit auszurufen ist eben nicht nur ungeschickt, sondern grobfahrlässig. Hätte man wirklich 90 Prozent der Bevölkerung Kataloniens auf seiner Seite gehabt, hätte man wenigstens Druck aufbauen können. Aber wenn rund 50 Prozent gegen die Abspaltung sind, kann man nur den Kopf schütteln. Um eine Entscheidung solcher Tragweite zu treffen, müsste die Verfassung geändert werden – und Verfassungsänderungen sind aus gutem Grund nicht mit einer einfachen Mehrheit möglich, sondern es braucht mindestens 60, 66, je nach Land sogar bis zu 80 Prozent der Stimmen des Volkes oder des Parlaments. Und davon sind die Unabhängigkeitsbefürworter selbst im kleinen Katalonien meilenweit entfernt – es müsste aber die spanische Verfassung geändert werden.

Eine Unabhängigkeit wird jetzt hoffentlich für lange Zeit kein Thema mehr sein. Es ist aber zu hoffen, dass die spanische Regierung wie angekündigt eine Verfassungsreform an die Hand nimmt. Unklar ist allerdings, was denn die Katalanen genau geändert haben wollen. Ausser in finanziellen Dingen kann man ihnen kaum noch mehr Autonomie gewähren – und nur weil vielleicht 2 Millionen Katalanen alles anders haben wollen, kann Spanien nicht die Anliegen der rund 45 Millionen restlichen Spanier ignorieren.

Die Unabhängigkeitsbefürworter bezeichnen sich gerne als „links“ oder zumindest nicht als „rechts“ – denn dieses Attribut geben sie der herrschenden Partei Spaniens unter Mariano Rajoy. Es wird zum Beispiel argumentiert, dass man nichts gegen Ausländer habe (gut, es gab eine riesige Demonstration gegen Touristen…), solange diese katalanisch lernten. Dieser Argumentation würde wohl in der Schweiz am ehesten die SVP zustimmen, die ja nicht bekannt ist als Linkspartei. Wenn sich ein Ausländer gut integriert, dann kann er bei der SVP problemlos Karriere machen.

Links wird in der Regel nicht ganz korrekt mit „sozial“ fast gleichgesetzt. Sozial meint „gemeinsam“. Die katalanischen Sezessionisten wollen aber eben gerade nicht eine gemeinsame Lösung finden, sondern fordern einen „nationalen Sozialismus“, einen Sozialismus nur für Katalanen. Dass dies nicht links ist, sollte auch ohne weiteren Kommentar allen einleuchten.